Abschriften vom Versicherer verlangen

von CHARTA Redaktion

am 25. September 2019

Müssen Versicherer einem Versicherungsmakler Abschriften zur Verfügung stellen? Antwort: Ja!

Der Versicherungsnehmer (VN) kann gemäß § 3 Absatz 3 und 4 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) jederzeit eine Ersatzurkunde des Versicherungsscheins sowie Abschriften der Erklärungen fordern, die er in Bezug auf den Vertrag abgegeben hat. Dasselbe gilt für den Gesamt- oder versicherungsrechtlichen Sondernachfolger des VN z.B. im Falle der Veräußerung der versicherten Sache nach § 95 VVG.

Der VN kann auch einen Versicherungsmakler bevollmächtigen, die vorstehend genannten Unterlagen anzufordern. Hier gelten die allgemeinen Grundsätze des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über die Bevollmächtigung (§§ 164 ff. BGB). Meist lässt sich der Makler in der Maklervollmacht vom Kunden u.a. dazu bevollmächtigen, Erklärungen zu Versicherungsverträgen abzugeben oder entgegenzunehmen. Diese Formulierung umfasst auch das Recht des Maklers, die in § 3 VVG genannten Unterlagen zu fordern.

Liegt dem Versicherer eine gültige Maklervollmacht vor, kann er sich nicht auf den Wortlaut des § 3 VVG berufen, dass diese Vorschrift nur in Bezug auf den VN gilt. Denn die Forderung des bevollmächtigten Maklers zur Überlassung der begehrten Unterlagen wirkt gemäß § 164 Absatz 1 BGB unmittelbar für den VN. Akzeptiert der Versicherer die Vollmacht nicht, z.B. weil keine Original-Vollmacht vorgelegt wurde (s. zu diesem Thema den Beitrag aus der Versicherungsmakler-Ausgabe 6/2004, S. 55f.), muss er sie unverzüglich als unwirksam zurückweisen. Tut er das nicht, ist die Vollmacht wirksam.

Bedarf der VN bzw. Makler der Abschriften für die Vornahme von Handlungen gegenüber dem Versicherer, die an eine bestimmte Frist gebunden sind (z.B. Vertragsannahme, Kündigung oder Widerspruch nach § 5 VVG), so ist der Lauf der jeweiligen Frist von der Stellung des Verlangens bis zum Eingang der Abschriften gehemmt (§ 3 Absatz 4 Satz 2 VVG), d.h. verzögert der Versicherer die Überlassung der geforderten Abschriften, geht das grundsätzlich nicht zu Lasten des VN.

Die Wirkung der Hemmung wird aber nur dann ausgelöst, wenn dem VN bzw. Makler die Abschriften nicht schon früher einmal vom Versicherer ausgehändigt worden sind. Das bedeutet, dass der VN bzw. Makler die Abschriften zwar jederzeit fordern kann, aber die hemmende Wirkung hat das Verlangen nach Aushändigung der Abschriften nur einmal (Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., München 2004, § 3, Rdnr. 50).

Überlässt also der Versicherer dem VN bzw. Makler die (erstmalig) angeforderten Abschriften nicht oder verspätet, muss er dem VN die Nachteile ausgleichen, die dieser dadurch erleidet. Hat der Versicherer dem VN bzw. Makler die Abschriften auf Verlangen aber schon einmal zur Verfügung gestellt, entscheidet der Einzelfall, ob dem Versicherer überhaupt eine Pflichtverletzung zur Begründung von eventuellen Schadenersatzansprüchen vorgehalten werden kann – aus § 3 VVG kommt eine Pflichtverletzung aber nicht mehr in Betracht. Hier müssen also weitere Umstände hinzukommen, die gegebenenfalls gemäß §§ 280311 Absatz 2241 Absatz 2 BGB eine Pflichtverletzung und damit Schadenersatzansprüche des VN gegen den Versicherer begründen.

§ 3 Absatz 5 VVG regelt, dass der VN die Kosten der Ersatzurkunde sowie der Abschriften zu tragen und auf Verlangen vorzuschießen hat. Unterlässt der VN bzw. Makler die Kosten der Abschriften trotz Verlangens vorzuschießen, so ist nach § 242 BGB die dadurch eintretende Verzögerung der Aushändigung nicht in die Zeit der Hemmung einzurechnen (Prölss/Martin, VVG, § 3, Rdnr. 52). In diesem Fall hat der Versicherer einen Fristablauf nicht zu vertreten.

 

Titelbild: © amnaj – Fotolia.com

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