Rückforderungsansprüche gegen Krankenversicherer nach Beitragserhöhungen

von CHARTA Redaktion

am 2. November 2020

Welche Konsequenzen folgen aus den aktuellen Entscheidungen der Oberlandesgerichte Köln und München sowie der Landgerichte Frankfurt und München I gegen die Axa?

Einige Amts- und Landgerichte (u. a. AG und LG Potsdam sowie LG Frankfurt/Oder, siehe Partner-Info Ausgabe 05/2018) hatten entschieden, dass Beitragsanpassungen schon dann unwirksam seien, wenn ein Treuhänder zugestimmt hat, welcher vom Versicherungsunternehmen wirtschaftlich abhängig war.

Dem hatte der Bundesgerichtshof am 19.12.2018 (Az. IV ZR 255/17) widersprochen: Die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Treuhänder sei nicht durch die Zivilgerichte zu prüfen (BGH, a. a. O., Rn. 26–62).

Allerdings hatte der Bundesgerichtshof auch klargestellt, dass die Beitragsanpassungen dennoch unwirksam sein können:

  1. So können die Anpassungserklärungen zum einen nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG begründet worden sein (BGH, a. a. O., Rn. 64–65). Eine unzureichende Begründung kann der Versicherer zwar heilen, muss insofern aber tätig werden. Bis dies geschehen ist, bestehen – unter Beachtung der Verjährungsfrist von 3 Jahren – Rückforderungsansprüche (BGH, a. a. O., Rn. 66–70).
  2. Auch wenn die Beitragsanpassungen in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden sind, können sie dennoch inhaltlich unrichtig, also falsch berechnet worden sein. Diese Frage wäre dann durch Einholung eines versicherungsmathematischen Sachverständigengutachtens zu klären (BGH, a. a. O., Rn. 71).

Hierauf aufbauend sind von Teilen der Rechtsprechung einige Beitragsanpassungen im Sinne der 1. Variante der Axa für formell unwirksam erklärt worden: Namentlich handelt es sich um Entscheidungen der Oberlandesgerichte Köln (Urteile vom 28.1.2020, Az. 9 U 138/19 und Urteil vom 7.7.2020, Az. 9 U 227/19) und München (Beschluss vom 6.3.2019, Az. 25 U 1969-18) sowie der Landgerichte Frankfurt (Urteil vom 16.4.2020, Az. 2-23 O 198/19) und München I (Urteil vom 23.7.2020, Az. 23 O 11042/19).

So hat u. a. das OLG Köln herausgestellt (Urteil vom 7.7.2020, Az. 9 U 227/19):

  • Zunächst muss die Rechnungsgrundlage genannt werden, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst hat, also die Veränderung der Leistungsausgaben bzw. Versicherungsleistungen und/oder der Sterbewahrscheinlichkeit bzw. Sterbetafeln.
  • Weiter muss die Benennung der Rechnungsgrundlage auch bezogen auf die konkrete Prämienanpassung erfolgen.
  • Nicht ausreichend ist insofern, dass in Informationsblättern allgemein darauf hingewiesen wird, dass eine Veränderung einer der beiden genannten Rechnungsgrundlagen eine Prämienanpassung auslösen kann, ohne klar darauf hinzuweisen, welche geänderte Rechnungsgrundlage für die in Rede stehende konkrete Prämienerhöhung maßgeblich war. Eine bloße Erläuterung der allgemeinen gesetzlichen und tariflichen Grundlagen reicht nicht aus.

Nach unseren Informationen sind von diesem Fehler u. a. die Beitragsanpassungen der Axa zum 1.1.2014 und zum 1.1.2015 im Hinblick auf die Tarife El Bonus und Vital-Z-N betroffen.

Die Urteile sind zwar noch nicht rechtskräftig, könnten jedoch weitreichende Konsequenzen haben. So besteht die Möglichkeit, dass Versicherungsnehmer über viele Jahre auf unrechtmäßige Beitragserhöhungen Zahlungen leisteten. Hieraus folgen mögliche Rückforderungsansprüche gegenüber den Versicherern. Da viele andere Versicherer die Beiträge in vergleichbarer Weise angepasst haben, könnten hiervon nicht nur Axa, sondern vielmehr noch viele andere Versicherer betroffen sein.

Im Hinblick auf die Verjährung wird davon auszugehen sein, dass den Versicherungsnehmern wenigstens Ansprüche auf Rückzahlung der zu Unrecht erbrachten Prämie der letzten 3 Jahre zustehen. Maßgeblich ist insofern der Stichtag (31.12.2020), bis zu dem verjährungshemmende Maßnahmen, insbesondere eine Klage, ergriffen werden müssten.

Was bedeutet dies für Sie als Sachwalter Ihrer Kunden?
Sie selbst werden sicherlich nicht überprüfen können, ob die Begründung der Beitragsanpassung im Falle Ihrer Kunden ordnungsgemäß erfolgte. Hiermit bzw. mit dem im Anschluss notwendigen Vorgehen gegen den Versicherer würden Sie sich auch schnell in den Bereich einer unerlaubten Rechtsberatung begeben.

Obwohl es fraglich erscheint, ob Sie hier überhaupt eine Hinweispflicht Ihrer Kunden trifft, könnten Sie Ihre Kunden auf die oben genannte Rechtsprechung und möglicherweise unwirksame Beitragsanpassungen von Krankenversicherern hinweisen. Dieser Hinweis könnte wie folgt aussehen:

„Sehr geehrte(r) …,

aktuell mehren sich Berichte, dass Betragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung unwirksam waren. Insofern haben Gerichte entschieden, dass einige Krankenversicherer über mehrere Jahre zu viel geleistete Beiträge erstatten müssen. Begründet wird dies u.a. damit, dass die Anpassungserklärungen nicht ordnungsgemäß begründet seien. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs steht aus.

Wir können nicht beurteilen, ob dies auch für Ihre Krankenversicherung gilt und inwiefern Ihren möglichen Ansprüchen die Verjährung droht. Wenn Sie Ihren Fall jedoch überprüfen möchten, können wir Ihnen gerne einen Fachanwalt für Versicherungsrecht empfehlen – sprechen Sie uns einfach an.

Mit freundlichen Grüßen
…“

Man könnte zwar auch auf die Idee kommen, eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs abzuwarten. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass eine solche Entscheidung sicherlich einige Zeit auf sich warten lässt und mögliche Forderungen gegen Versicherer dann bereits verjährt sein könnten. Auch steht nicht fest, was der Bundesgerichtshof zu den Ausführungen zur Verjährung sagen wird.

Sinnvoll erscheint es damit allemal, Ihren Kunden auf die Rechtsprechung hinzuweisen und ihm anzuraten, Beitragserhöhungen kurzfristig rechtsanwaltlich überprüfen zu lassen. Es erscheint in diesem Zusammenhang angebracht, die Unterstützung eines Fachanwaltes für Versicherungsrecht zu suchen. Wir empfehlen hier die Unterstützung der Rechtsanwaltskanzlei Steinhauer und Günther aus Menden (www.steinhauer-guenther.de).

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